Darmflora-Checks – was sie können und was nicht

Darmflora-Check beim Hund

In den letzten Jahren haben s. g. Darmflora-Checks an Bedeutung gewonnen. Diese Untersuchungen sollen Aufschluss über den Zustand der Darmflora geben und damit eine Behandlungsgrundlage bei einer Dysbiose liefern. In einer neuen Studie wurden die derzeit üblichen Verfahren verglichen.

Darmflora – was versteht man darunter?

Der Verdauungstrakt wird von zahlreichen Bakterien, Viren, und auch Pilzen besiedelt. Diese Mikroorganismen wurden früher als Darmflora bezeichnet. Der Begriff ist im wortwörtlichen Sinne nicht korrekt, weshalb man heute eher vom Mikrobiom spricht. Das Mikrobiom spielt nicht nur für die Verdauung eine große Rolle, sondern stellt Nährstoffe bereit, stimuliert das Immunsystem und bietet direkt im Darm Schutz vor Krankheitserregern. Man geht heute davon aus, dass Bakterien den größten Anteil des Mikrobioms ausmachen. Viele Bakterienarten sind Anaerobier, fühlen sich also unter Sauerstoffabschluss am wohlsten. Im hochkomplexen System mit hunderten (vermutlich mehr als 1.000) Bakterienstämmen nimmt die Anzahl der Bakterien vom Magen (0,1 Mill./g) über den Dünndarm bis zum Dickdarm (bis zu 100 Milliarden/g) deutlich zu. Im Magen und auch im Anfangsteil des Dünndarms wurden bisher vor allem aerobe oder fakultativ aerobe (sauerstoffverbrauchende bzw. -tolerante) Keime nachgewiesen, im Verlauf der Darmpassage nimmt aber die die Anzahl anaerober (ohne Sauerstoff lebender) Bakterien deutlich zu und übersteigt letztendlich im Dickdarm schließlich die Zahl aerober oder fakultativ anaerober Keime. Die Zusammensetzung der Darmflora ist tierspezifisch, ernährungsbedingt, umweltbezogen und abhängig vom Alter, dem Gesundheitszustand und weiteren Faktoren – die Übereinstimmung der Bakterienspezies zwischen Individuen beträgt nur 5–20 %, weshalb die Darmflora individuell ist wie ein Fingerabdruck. Dies erschwert Aussagen über einen „Normalzustand“ des Mikrobioms. Diese Grafik zeigt einen Ausschnitt aus der Zusammensetzung des Mikrobioms von fünf gesunden Hunden. Der dritte grüne Balken von unten zeigt beispielsweise Clostridien an: Während es für Hund 1 normal ist, dass unter 5 % der untersuchten Bakterien in seinem Mikrobiom Clostridien ausmachen, sind es bei Hund 2 eher 7 %, bei Hund 3 fast 20 %, bei Hund 4 unter 5 % und bei Hund 5 machen sie etwa 10 % aus. Noch deutlicher ist der Unterschied hinsichtlich Bacteroides: über 50 % sind bei Hund 4 normal, bei Hund 1 sind sie fast gar nicht vertreten.

Dysbiose – was ist das?

Die Bakterien lassen sich – je nach Vorteilhaftigkeit für den Wirt – in Symbionten, Kommensalen, Pathobionten und Pathogene unterteilen. Symbionten sind vorteilhaft für das Tier, Kommensalen haben weder vor-, noch nachteilige Effekte, Pathobionten sind unter bestimmten Umständen (z. B. bei einer Überwucherung) nachteilig, weil krankmachend, und Pathogene sind stets nachteilig. Sämtliche Formen können auch beim gesunden Tier auftreten, entscheidend ist aber das Verhältnis zueinander. Solange Symbionten und Kommensalen überwiegen, wird das Tier nicht erkranken. Dieses Gleichgewicht (= Eubiose) wird durch verschiedene Mechanismen gehalten. Durch eine Antibiose, Fütterungsfehler oder – wesentlich häufiger – als Resultat von Erkrankungen, kann es jedoch durch eine selektive Zunahme der Anzahl bestimmter Bakterienarten oder –gruppen oder einer Reduktion der Vielfalt kommen, sodass sich eine Dysbiose oder auch Dysbakterie einstellt, die den Gesundheitszustand des Tieres massiv beeinträchtigen kann. Die Entschlüsselung der genauen Mechanismen steht noch an ihren Anfängen, das Mikrobiom scheint aber eine fundamentale Rolle für die Gesundheit zu spielen. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, einen genaueren Blick auf das Mikrobiom zu werfen. Dafür gibt es heute vornehmlich zwei Untersuchungsmethoden.

Darmfloracheck – welche Möglichkeiten gibt es?

Bakterienkulturen

Darmflora-Check
Die bisher am häufigsten verwendete Methode basiert auf einer Anzüchtung der mit dem Kot ausgeschiedenen Mikroorganismen auf verschiedenen Nährmedien in Petrischalen. Viele Labore bieten eine solche Untersuchung an. Meist werden dabei bestimmte aerobe (z. B. E. Coli, hämolysierende E. Coli, Enterococcus) sowie anaerobe (z. B. Bacterioides, Clostridium, Bifidobacterium, Lactobacillus) Bakterien untersucht. Oft wird in einer Art Ampelsystem dargestellt, welche Bakterien in angemessener Anzahl vorhanden sein sollen und welche nicht. Führt man sich die Grafik aus dem ersten Abschnitt vor Augen, muss man eine solche Darstellung hinterfragen. Erinnern wir uns: Während beim 4. Hund 50 % Bacteroides normal sind, waren diese bei Hund 1 fast gar nicht vertreten. Welcher Referenzwert sollte hier nun als „richtig“ gelten und wann wäre es „zu viel“ oder „zu wenig“? Im Grunde bräuchte jedes Tier eigene Referenzwerte, die dann auch immer an aktuelle Lebenssituationen angepasst werden müssten. Leider ist es zudem so, dass mit dieser Methode nur etwa 10 % der Darmbakterien überhaupt bestimmt werden können. Eine genaue Aussage über die Keimzahl ist gar nicht zu treffen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die meisten Bakterien im Mikrobiom Anaerobier sind, damit sauerstoffempfindlich und nicht angezüchtet werden können. Bei dieser Untersuchungsmethode gibt es außerdem zu viele Fehlerquellen – bei der Probenentnahme sowie -aufbereitung, beim Transport, bei der Verdünnung und der Koloniezählung. Daher eignen sich diese Tests nicht dazu, ein annährend vollständiges Bild über vorhandene Symbionten, Kommensalen oder Pathobionten zu erhalten. Mit Bakterienkulturen lassen sich allerdings schnell und preiswert pathogene, also krankmachende Bakterien nachweisen wie z. B. Salmonellen, Campylobacter oder Yersinien.

PCR-Methoden

Zur genaueren Bestimmung der Bakterien werden heute molekularbiologische Verfahren verwendet. Diese Methoden werden derzeit nur von sehr wenigen Laboren angeboten. Dabei wird bakterielle DNA aus einer Darmprobe extrahiert und mittels PCR untersucht, sodass eine genauere Identifizierung und Quantifizierung der in der Probe vorhandenen Bakterien möglich ist. Molekulare Methoden werden im Rahmen von moderneren Dysbiosescreens angeboten. Diese liefern Informationen über den Zustand des Mikrobioms. Auch hierbei werden allerdings nicht sämtliche, also hunderte Stämme erfasst. Stattdessen wird eine Auswahl an Bakterienspezies getroffen, die sich in Studien als aussagekräftige Dysbiosemarker herausgestellt haben, nämlich Faecalibakterien, Fusobakterien, Turicibacter, Streptokokken, E. coli, Blautia und C. hiranonis sowie die Gesamtzahl der Bakterien. Die häufig im Rahmen von Bakterienkulturen untersuchten Bakterienstämme, also Laktobazillen, Bifidobazillen oder Enterokokken, zeigen sich in Studien nicht als relevante Dysbiosemarker. Aus den o.g. 8 Bakterienarten und der Keimgesamtzahl kann als Gesamtmaß der Mikrobiomgesundheit ein Dysbiose-Index berechnet werden, der eine Beurteilung des Zustandes des Mikrobioms zulässt. Die Dysbiose-Index-Berechnung ist noch neu und daher in Deutschland noch nicht verfügbar, wird in den nächsten Jahren jedoch sicherlich auch hier auf den Markt kommen.

Neue Studie zu Darmflora-Checks

2020 wurde in der Studie „Diagnostic value of fecal cultures in dogs with chronic diarrhea“ von Melanie Werner et. al. der diagnostische Wert der Bakterienkulturen bei Hunden mit chronischem Durchfall untersucht. Betrachtet wurden 18 Tiere mit chronischem Durchfall (39 % davon hatten zusätzlich chronisches Erbrechen, 22 % zusätzlich Appetitlosigkeit). Als Kontrollgruppe fungierten 18 gesunde Hunde, die keine Symptome zeigten. Es wurden Kotproben aller Tiere in vier gleiche Proben aufgeteilt. Je eine Teilprobe wurde an ein Labor der Texas A&M University zur molekularen Untersuchung (Dysbiose-Index) versandt und je drei Teilproben gingen an verschiedene Labore, die diese auf Basis von Bakterienkulturen untersuchten.

Ergebnisse der molekularen Untersuchung

Der ermittelte Dysbiose-Index war bei den erkrankten Tieren signifikant erhöht im Vergleich zu den gesunden Hunden. 44 % der erkrankten Hunde wiesen einen erhöhten Dysbiose-Index von >2 auf, nur bei einem der gesunden Hunde war der Dysbiose-Index erhöht. Die Häufigkeit von Faecalibacterium und Fusobacterium war bei den erkrankten Tieren im Vergleich zu den gesunden Hunden signifikant verringert, während sich die Häufigkeit von Turicibacter, Streptococcus, E. coli, Blautia und C. hiranonis sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen unterschied. Bei 89 % der kranken Hunde wurde Clostridium perfringens gefunden, bei 100 % der gesunden Hunde ebenfalls.

Ergebnisse der Bakterienkulturen

Die Untersuchungsergebnisse der drei Labore, die bakterielle Kulturen untersucht hatten, zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen gesunden und kranken Tieren. Die Untersuchungen waren also nicht in der Lage, gesunde von kranken Tieren zu unterscheiden.

“Fecal cultures failed to distinguish between diseased and healthy dogs, and a high level of interlaboratory variation for culture was found.”

Alle 3 Labore ermittelten sowohl für die gesunden als auch für die erkrankten Hunde Auffälligkeiten hinsichtlich des Mikrobioms. Labor 1 und 2 bescheinigten dabei mehr gesunden als kranken Hunden ein „abnormales“ Mikrobiom. Bei Labor 3 war dies nicht der Fall, aber es wurde nur 4 von 14 kranken Tieren ein „ungesundes“ Mikrobiom festgestellt. Die Ergebnisse sind außerdem bei jedem Labor unterschiedlich ausgefallen:

Mikrobiom

Bei allen drei Laboren wurden auch hämolysierende E. Coli untersucht, dabei wurde nicht spezifiziert, welcher Stamm hämolysierender E. Coli untersucht wurde. Allgemein sind auch hämolysierende E. Coli Teil des gesunden Mikrobioms und inwieweit sie bei Darmerkrankungen pathogen sind, ist bisher nicht vollständig geklärt. Von Laboren werden sie bisher aber als problematisch interpretiert. Auch diese Untersuchung vermag es nicht, zwischen gesunden und kranken Tieren zu unterscheiden und zeigt ebenfalls unterschiedliche Resultate:

Hämolysierende E. Coli

Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass Bakterienkulturen für die Diagnostik einer Dysbiose bei Hunden, die an chronischen Darmproblemen leiden, nicht geeignet sind. Aus solchen Untersuchungen sollten keine Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden. Zweckmäßig seien sie jedoch weiterhin zum Nachweis von Pathogenen (z. B. Salmonellen).

Fazit

Die neue Studie belegt, was einige Therapeuten bisher schon vermutet hatten: Ein Darmflora-Check auf Basis von Bakterienkulturen ist nicht geeignet, um eine Dysbiose zu diagnostizieren. Nicht nur, dass es in der Natur der Sache liegt, dass beispielsweise Referenzbereiche äußerst individuell sein müssten, die Untersuchungsergebnisse verschiedener Labore weichen auch noch stark voneinander ab. Daraus lassen sich keine therapeutischen Ansätze ableiten. Der neue Dysbiose-Index auf molekularer Basis zeigt bessere Ergebnisse, wird aber in Deutschland noch nicht angeboten und steht zudem auch noch am Anfang der Entwicklung.

 

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