Kokosöl ist kein Gift! Auch nicht im Hundenapf.

Kokosöl ist kein Gift im Hundenapf
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In den letzten Wochen kursierte ein Youtube-Video durch die Sozialen Netzwerke, was viele Menschen irritierte. In einem Vortrag informierte Prof. Dr. Dr. Karin Michels, Direktorin des Instituts für Prävention und Tumorepidemiologie am Universitätsklinikum Freiburg, die Zuhörer unter anderem darüber, dass Kokosöl „reines Gift“ sei und brachte damit einen Stein ins Rollen, der auch vor dem Hundenapf keinen Halt machte. Nicht nur viele gesundheitsbewusste Kokosöl-Esser waren irritiert, auch bei Hundehaltern wurden plötzlich Bedenken laut. Denn Kokosöl wird seit vielen Jahren auch in der Ernährung von Hunden eingesetzt. Kann das dem Vierbeiner zum Verhängnis werden?

Warum geben Hundehalter Kokosöl?

Es gibt unterschiedliche Gründe, Kokosöl in der Hundeernährung einzusetzen. Der häufigste Grund dürfte sein, dass Kokosöl im Trend liegt. Seit Jahren wird Kokosöl im Wellness- und Fitnessbereich geradezu bejubelt  – und dieser Hype übertrug sich irgendwann auf die Vierbeiner. Kokosöl soll einfach alles können: Als Tausendsassa der Superfoods soll es von Falten bis Krebs einfach gegen jedwedes Problem eine Wirkung haben. Das ist vollkommen übertrieben, aber es gibt gute Gründe, es auch in der Hundeernährung einzusetzen. Eine sinnvolle Eigenschaft ist die wurmwidrige Wirkung, die im Humanbereich wohl eher eine untergeordnete Bedeutung spielt. Nachgewiesenermaßen beseitigen gewisse Inhaltsstoffe aus der Kokosnuss Spulwürmer beim Vierbeiner, preiswert und ganz ohne Nebenwirkungen. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die diätische Therapeutik. Einerseits kann es bei Hunden mit Futtermittelintoleranzen durchaus als zusätzlicher Energielieferant dienen, wenn keine andere Fettquelle zur Verfügung steht. Andererseits kommt es auch bei Tieren als Energielieferant zum Einsatz, die unter Darmerkrankungen z. B. einer Bauchspeicheldrüseninsuffizienz leiden. Denn die spezielle Fettsäurenzusammensetzung von Kokosöl macht es für solche Patienten oftmals verträglicher als andere Fettquellen.

Was hat es mit den Fettsäuren auf sich?

Im Video wird behauptet, Kokosöl sei deshalb „eins der schlimmsten Nahrungsmittel, die Sie überhaupt zu sich nehmen können“, weil es mehr gesättigte Fettsäuren enthält als alle anderen Fette.

Als Grund für die Gefährlichkeit der gesättigten Fettsäuren wird aufgeführt, dass diese hart wären, also bei Raumtemperatur fest und daher die Herzkranzgefäße verstopfen würden. Je mehr gesättigte Fettsäuren, desto höher wäre das Herzinfarktrisiko. Man solle lieber Öle einsetzen, die viele ungesättigte Fettsäuren enthalten. Natürlich tätigte die Dozentin diese Aussagen in Bezug auf Menschen. Da die Hundeszene jedoch gleichermaßen erschrak und weil viele biochemische Prozesse im Hundekörper ähnlich ablaufen wie bei uns Zweibeinern, muss man sich mit den Grundlagen auseinandersetzen, auch wenn das nun ein wenig kompliziert wird.

Gesättigte vs. Ungesättigte Fettsäuren

Bei Fettsäuren unterscheidet man zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren. Generell sind Fettsäuren langkettige Moleküle, also Ketten von Kohlenstoffatomen mit einer Säuregruppe am Ende. Je nachdem, wie der chemische Aufbau dieser Fettsäuren ist, unterscheidet man zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren. Der Bindungstyp bestimmt die Gruppe: Bei gesättigten Fettsäuren existieren nur Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen, bei ungesättigten Fettsäuren gibt es auch Doppelbindungen. Je nachdem, wie viele dieser Doppelbindungen auftreten, unterscheidet man zwischen einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Diese Doppelbindungen sind übrigens in einer bestimmten Konfiguration angelegt, die dafür sorgt, dass Fette mit vielen ungesättigten Fettsäuren bei Raumtemperatur flüssig sind, während gesättigte Fettsäuren bei 21 Grad fest sind. Das meint die Dozentin mit „hart“.

Die Doppelbindungen sorgen für eine weitere Eigenschaft ungesättigter Fettsäuren: die hohe Reaktionsfreudigkeit. Denn bei diesen Fettsäuren sind nicht sämtliche Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen mit Wasserstoffatomen besetzt, weshalb noch weitere Atome „andocken“ können. Das hat zur Folge, dass sie schnell oxidieren, also ranzig werden. Deswegen sollte man solche Fettsäuren auch nicht erhitzen, denn das beschleunigt die Oxidation erheblich.

Welche Rolle spielen ungesättigte Fettsäuren?

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Ungesättigte Fettsäuren oxidieren schnell

Ungesättigte Fettsäuren sind mitunter essenziell, d. h. der Hund muss sie zwingend mit der Nahrung aufnehmen. Das trifft auf bestimmte Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren (auch n-3 und n-6 Fettsäuren genannt) zu. Erstere wirken im Körper entzündungshemmend und schmerzlindernd, weswegen empfohlen wird, vermehrt Öle mit vielen n-3-Fettsäuren bei entzündlichen Erkrankungen einzusetzen. Anders sieht es bei den n-6-Fettsäuren aus. Zwar sind diese auch essenziell, haben aber leider den Effekt im zu starken Überschuss entzündungsfördernd zu wirken. Unglücklicherweise enthalten die meisten Öle (z. B. Sonnenblumenöl, Distelöl, Maiskeimöl) übermäßig viele n-6-Fettsäuren. Auch Fleisch aus Massentierhaltung liefert ein ungesundes Fettsäurenverhältnis mit einem zu starken n-6-Fettsäurenüberschuss.

Außerdem neigen die ungesättigten Fettsäuren eben auch dazu, sehr schnell zu oxidieren, also ranzig zu werden. Der als  Lipidperoxidation bezeichnete Prozess führt dazu, dass freie Radikale im Übermaß entstehen und Zellkerne im Körper schädigen. Diese Zellkernschädigung kann die Grundlage für viele Erkrankungen (z. B. Krebs) sein. Es kann also nicht Ziel sein, möglichst viele ungesättigte Fettsäuren einzusetzen, sondern diese wohldosiert und mit Bedacht zuzuführen.

Demnach sollte man darauf achten, dass der Hund

  1. genügend n-3 und n-6 Fettsäuren zu sich nimmt,
  2. diese Fettsäuren in der gesamten Nahrung in einem Verhältnis von ungefähr 1:2-1:3 auftreten,
  3. der Anteil ungesättigter Fettsäuren nicht zu hoch ist, um die Lipidperoxidation in Grenzen zu halten.

Wie sieht das in der Praxis aus? Angenommen, ein Hund bekommt Futter mit Rindfleisch aus Massentierhaltung, ohne dass der Halter zusätzlich ein Öl mit vielen n-3-Fettsäuren füttert (warum das sinnvoll ist, steht in diesem Artikel). In dem Fall liegt das n-3:n-6-Verhältnis in seiner Nahrung ungefähr  bei 1:12. Das heißt, es sind 12-mal so viele n-6-Fettsäruen in seinem Futter wie n-3-Fettsäuren – eine für den Hund nachteilige Situation. Ziel wäre es, dass das Verhältnis 1:2–1:3 beträgt so wie es bei Beutetieren aus artgerechter Haltung der Fall ist.

Dieser Hund soll nun zusätzlich Fett bekommen. Setzt man an Stelle von Kokosöl Sonnenblumenöl ein, so hat das den Effekt, dass das Fettsäurenverhältnis noch schlechter wird. Das liegt daran, dass Sonnenblumenöl 120-mal mehr n-6-Fettsäuren enthält als n-3-Fettsäuren. Bei Kokosöl ist das hingegen nicht der Fall, weil es insgesamt kaum n-3 oder n-6-Fettsäuren liefert. Ein ursprünglich gutes Fettsäurenverhältnis bleibt dadurch also unberührt.

Abgesehen davon, führt man mit dieser Maßnahme zusätzliche Fettsäuren zu, die im Körper oxidieren können, denn die Fettsäuren, die im Sonnenblumenöl zu finden sind, neigen sehr stark dazu, während jene aus dem Kokosöl oxidativ stabil sind, also nicht so schnell ranzig werden.

Man hat also keinen der Vorteile von Kokosöl erreicht, aber sämtliche Nachteile überflüssiger n-6-Fettsäuren im Körper, die eben entzündungsfördernd sind und auch noch leicht oxidieren. Etwas besser sieht es aus, wenn man statt Sonnenblumenöl Leinöl einsetzt, weil das mehr n-3-Fettsäuren enthält als n-6-Fettsäuren – aber das oxidiert dafür auch noch schneller. Der Grund dafür ist, dass es wesentlich mehr der mehrfach ungesättigten Alpha-Linolensäure enthält als Sonnenblumenöl. Diese Fettsäure oxidiert 1.000-mal schneller als die im Sonnenblumenöl dominante Linolsäure und 2.500-mal schneller als die gesättigte Stearinsäure im „bösen“ Schweineschmalz. Das ist der Grund dafür, warum Leinöl nur wenige Wochen haltbar ist.

Weil die Fettsäuren so schnell oxidieren und die meisten Öle auch noch einen sehr starken n-6-Überschuss mitbringen, kann es also nicht zielführend sein, sehr viele dieser Öle einzusetzen. Zumal kein anderes Öl die Vorteile von Kokosöl mit sich bringt, nämlich wurmwidrig zu wirken und bei bestimmten Erkrankungen besser verträglich zu sein.

Sind gesättigte Fettsäuren wirklich so ungesund?

Nun, es gibt einige Studien – vor allem recht alte, aus denen hervorging, dass Menschen, die viele gesättigte Fettsäuren zu sich nehmen, häufiger an Herzerkrankungen leiden. Man führte das unter anderem darauf zurück, dass durch die Aufnahme solcher Fettsäuren, der Cholesterinspiegel steigt. Diese Erkenntnisse werden gern auch auf unsere Vierbeiner übertragen. Mittlerweile hat die Forschung im  Humanbereich tiefere Einblicke gewonnen und man weiß, dass Cholesterin nicht gleich Cholesterin ist (heute unterscheidet man z. B. zwischen LDL und HDL). Außerdem herrscht mittlerweile ein Konsens darüber, dass ein einziger Parameter in der Ernährung keine Aussage auf den Einfluss auf die Gesundheit zulässt. Ein Sportler, der nur frisch zubereitete Speisen und darin viele gesättigte Fettsäuren zu sich nimmt, ist mit einem ohnehin schon übergewichtigen Couchpotatoe, der sich von Fastfood ernährt, einfach nicht vergleichbar. Nicht allein die gesättigten Fettsäuren führen also zu Herzerkrankungen, andere Faktoren sind hierbei von Belang. Interessanterweise geht das auch aus den Studien hervor, die im Video von der Dozentin und auch in ihrer späteren Stellungnahme zur Kritik an ihrer Vorlesung genannt werden.

Werfen wir einen konkreten Blick auf die Ernährung von Hunden oder Beutefressern allgemein. Da sind nämlich gesättigte Fettsäuren seit jeher absolut normaler Futterbestandteil. So besteht beispielsweise Rehfett  zu 48 % aus gesättigten, zu 46 % aus einfach ungesättigten und nur zu 6 % aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Und wenn man sich die Eigenschaften der Fettsäuren vor Augen führt, wird auch deutlich, warum diese Zusammensetzung tatsächlich auch Sinn macht, denn die essenziellen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren reichen hier aus, um deren Bedarf zu decken, während die gesättigten Fettsäuren als Energiequelle dienen, die kaum der Lipidperoxidation zum Opfer fallen. Wenn dazu noch etwas Kokosöl gegeben wird, ändert sich nichts an dieser Situation.

Fazit

Kokosöl enthält sehr viele gesättigte Fettsäuren, was aber längst nicht bedeutet, dass es deswegen nachteilig ist. Der Vorwurf, dass diese Fettsäuren allein das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen, ist nach aktuellen Erkenntnissen unhaltbar. Zudem bietet Kokosöl im Rahmen der Ernährung von Hunden durchaus Vorteile (wurmwidrige Wirkung, leichtere Verdauung als andere Fettarten, oft bei Unverträglichkeiten geeignet), sodass es in Maßen Eingang in den Futterplan finden kann. Wunder sollte man allerdings keine erwarten und immer im Hinterkopf behalten, dass die erhöhte Kokosölnachfrage in den letzten Jahren auch Regenwaldrodungen und Vernichtung von Biodiversität zur Folge hat. Man sollte Kokosöl also nur dann einsetzen, wenn es wirklich Sinn macht.

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